„Wir wollen Müll meiden und die Erde erhalten“ – ein Gespräch mit Alana Zubritz vom Zero-Waste-Café „In guter Gesellschaft“ in Hamburg

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„Wir wollen Müll meiden und die Erde erhalten“ – ein Gespräch mit Alana Zubritz vom Zero-Waste-Café „In guter Gesellschaft“ in Hamburg

Ein Café, dass kaum Müll produziert, nur vegane Speisen und Getränke anbietet und in dem die Gäste ein paar Stunden mit entspannter Musik und ganz ohne schlechtes Gewissen verbringen können? Das gibt es alles in dem Café „In guter Gesellschaft“ im Karolinenviertel in Hamburg.

Den Zero-Waste-Traum hat sich Alana Zubritz gemeinsam mit ihrer Freundin Ina Choi-Nathan vor sechs Jahren erfüllt – „wir wollten uns mit unserem kleinen Café selbst beweisen, dass nachhaltige Wirtschaft funktionieren kann!“

Alana Zubritz (rechts) und Ina Choi-Nathan

Wie kamt ihr zu der Idee, ein Zero-Waste-Café zu eröffnen?

Unsere ursprüngliche Idee war es, eine Event Location und einen Treffpunkt für nachhaltige Projekte und Workshops zu schaffen. Wir sind dann auf das Thema Kreislaufwirtschaft und Zero Waste gestoßen und wollten herausfinden, ob das Prinzip auch auf die Gastronomie anwendbar ist. Wir fanden es spannend, einen Ort zu schaffen, der tagtäglich besucht wird und hierzu auch noch nachhaltig ist.

Was hat euch zu eurer Idee inspiriert?

Ich habe ursprünglich Raumkonzept und Design studiert und direkt nach dem Bachelor in einer Produktdesign-Agentur gearbeitet, in der ich unterschiedliche Verpackungen designt habe. Nach kurzer Zeit dort habe ich aber gemerkt, dass ich nichts gestalten möchte, das zum Wegwerfen prädestiniert ist.

2010, als ich begonnen habe mich durch meinen Master in Sustainable Design mit der Kreislaufwirtschaft auseinanderzusetzen, war das Thema noch gar nicht groß und verbreitet – es gab wenig Recherche und Material hierzu. Ein Konzept (Mehrweg-, Pfand- und Glasabfall-Systeme) gab es in Deutschland zwar schon, aber ich wollte das Thema unpolitisch, cool und attraktiv gestalten. Ich und meine Freunde waren dann mit die Ersten, die Kleidertausch-Events mit DJ und Prosecco veranstaltet haben. Und dadurch, dass es so gut angenommen wurde, ist daraus ein Business, also unser Café entstanden.

Euer Café basiert auf dem Zero-Waste-Prinzip. Kannst du dieses Prinzip noch einmal erläutern?

Bei der linearen Wirtschaftsweise werden Produkte gekauft, die in einer Verpackung aus endlichen Rohstoffen, wie Mineralöl, verpackt sind. Diese endlichen Rohstoffe können nicht in den Kreislauf zurückgeführt werden, denn Kunststoff zersetzt sich nicht, sondern zerfällt in Mikroplastik.

Die Kreislaufwirtschaft, mit der wir uns bei unserem Zero-Waste-Konzept auseinandersetzten, ist ein Gegensatz zu dieser linearen Wirtschaftsweise. Wir achten darauf, dass alles, was wir einkaufen, in recyclefähigen Verpackungen abgepackt ist – also in Papier, Altglas oder Mehrwegbehältern. Wir nutzen zum Beispiel für Olivenöl oder Kakao große Eimer aus „Plastik”, aber hierbei handelt es sich eben um Pfandeimer, die zu 100 Prozent wiederverwendet werden. Nüsse bekommen wir von einem lokalen kleinen Händler, sie werden in Jutesäcken abgepackt, die extra für uns in den Betrieb des Händlers eingeführt wurden. Unsere Getränke und Hafermilch erhalten wir von ‚Voelkel‘ in Pfandflaschen aus Glas. Das heißt, jede Verpackung bleibt im Kreislauf und dadurch entsteht in unserem Café fast kein Müll – darum geht es bei ‚Zero Waste‘. Wir wollen Müll meiden und die Erde erhalten.

Wie viel Müll entsteht bei euch in einer Woche?

Biomüll fällt bei uns relativ viel an, den entsorgen wir dann in unserer Biotonne – auf die wir sehr stolz sind, denn mit dem Bioabfall erzeugen wir in Hamburg Ökostrom und Kompost und so sehen wir recyclingfähigen Abfall (Bio und Papier) prinzipiell nicht als „Müll“. Abgesehen davon haben wir hinter der Theke einen kleinen Fünf-Liter-Eimer, in dem wir den nicht recyclingfähigen Müll sammeln. Dieser Eimer wird etwa einmal in der Woche voll und das hauptsächlich mit Abfall, der durch die Gäste anfällt, wenn sie zum Beispiel etwas auf dem Tisch liegen lassen.

Dadurch, dass unser Café vegan und Zero Waste ist, bedienen wir eine sehr kleine Sparte und leider gibt es immer noch Produkte, die wir nicht in wiederverwendbaren Verpackungen bestellen können. So zum Beispiel Margarine und einige Gewürze wie Zimt. Diese Produkte versuchen wir dann im Großgebinde zu kaufen, damit wir am Ende nur einen größeren Plastikbeutel, statt viele kleine wegschmeißen müssen. Für manche Sachen gibt es leider noch keine Alternativen.

Arbeitet ihr mit lokalen Produzent:innen zusammen?

Soweit es uns möglich ist, setzen wir auf lokale Produzent:innen. Wir konnten uns zu Beginn viel mit dem ersten Unverpacktladen in Hamburg „Stückgut“ austauschen, der etwa zur selben Zeit wie wir eröffnet hat – was die Zulieferer angeht, funktionieren wir eigentlich genauso wie ein Unverpackt-Laden. Wir selbst und auch die Produzenten achten sehr darauf, dass die Produkte lokal produziert werden und Bioqualität haben. Es gibt aber in unserem Café auch Produkte, auf die wir angewiesen sind, die nicht in Deutschland hergestellt werden, wie Kaffee, Kakao, Olivenöl und verschiedene Gewürze.

Ist dir Transparenz gegenüber euren Gästen wichtig?

Ja sehr, denn viele wissen gar nicht, wo sie sind oder was wir machen, wenn sie unser Café besuchen. Die Gäste bekommen ihren fertigen Tee, die Limo oder das Stück Kuchen aber sie kennen oft gar nicht den ganzen Prozess, der hinter den Kulissen stattfindet. Da du bei uns nur das fertige Produkt bekommst, müssen wir unser Konzept ganz klar nach außen kommunizieren. Und in der offenen Kommunikation sehen wir auch eine Möglichkeit, andere Gastronomien an unsere Idee heranzuführen und zu sagen: „Hey, Kreislaufwirtschaft in der Gastronomie funktioniert. Man muss nur wissen, wo und wie man starten kann.“

Nutzt ihr plastikfreie Alternativen, wenn ihr euren Gästen etwas to-go mitgebt?

Also eigentlich haben wir keine To-go-Becher und wenn, dann sind wir da ganz streng: Wir bieten keine „RECUPS“ an, weil es sich hierbei auch um Kunststoffbecher handelt. Wenn jemand, was zum Mitnehmen haben will, dann geben wir zum Beispiel ein Marmeladenglas raus, für das zum Beispiel ein Euro Pfand gezahlt wird. Ansonsten haben wir einfache Papiertüten, für Kuchen zum Mitnehmen und für Speisen müssen die Gäste ihre eigenen Container mitbringen.

Was passiert mit Lebensmitteln, die bei euch übrigbleiben?

Aus hygienischen Gründen können wir nichts aufheben, was bereits bei den Gästen war. Was übrig bleibt und stehengelassen wird, muss dann in den Müll. Wir versuchen, das Essen möglichst gut zu dosieren und können mittlerweile gut einschätzen wie viel gegessen wird.

Wenn wir an der Theke oder in der Küche etwas übrighaben, dann geben wir es meistens bei der App „TooGoodToGo“ rein. Aber ansonsten leben wir eher nach dem Prinzip: „Was leer ist, ist leer“ – das haben wir lieber, als dass wir etwas überproduzieren.

Abgesehen von eurem Café, wo fehlt es dir aktuell noch an Aufklärung in Deutschland, was das Thema Müll betrifft?

Ich bin gerade ein bisschen in einer frustrierten Phase, weil man kämpft und kämpft, aber man bleibt irgendwie so klein und es interessieren sich nicht so viele Leute für unser Konzept, wie ich ursprünglich gedacht habe. Wir in Deutschland produzieren mit die meisten Abfälle global, aber wir denken, es ist nicht unser Problem, da wir ein gutes Müllabfuhrsystem haben – da fehlt noch so viel Aufklärung und wir möchten diesem Problem beisteuern. Zero Waste kann günstig sein im Preis, aber dafür musst du Zeit haben und sie auch investieren.

Gibt es viele Herausforderungen, vor denen ihr aktuell noch steht?

Die Herausforderungen, vor denen wir im Moment stehen sind eher auf staatlicher Ebene. Durch die ganzen Corona-Maßnahmen, die Preisehöhung, die Mehrwertsteuererhöhung und durch die Mindestlohnerhöhung wurden wir sehr eingeschränkt. Wir mussten unsere Speisekarte umgestalten, sodass wir mit weniger Personal trotzdem gutes Essen anbieten können. Das heißt, wir können uns nicht jeden Tag in der Küche, einen Koch oder eine Köchin leisten, die jeden Tag alles frisch zubereiten, sondern wir sind auf „kalte Platten“ mit verschiedenen Dips umgestiegen.

Wir hoffen, dass wir bald wieder leckeres, veganes Rührei oder Omelett zubereiten können. Denn es kommen natürlich mehr Gäste zu dir, wenn du eine geilere Speisekarte hast.

Was ist dein Wunsch für die Zukunft des Cafés und für das Thema Nachhaltigkeit?

Ich versuche aktuell ein bisschen über den Raum hinaus zu wachsen. Neben dem Café möchte ich mich noch um andere Aufklärungsprojekte kümmern. Und über das Café hinaus, vielleicht auch eine größere Serviceleistung oder Dienstleistung entwickelt, die noch mehr Leute ins Boot holt und das Thema Kreislaufwirtschaft präsenter macht. Mein Wunsch ist, dass das Thema sehr viel mehr Aufmerksamkeit bekommt – es braucht aber auch viel Arbeit, dass es in der Gastronomie umgesetzt wird.

Und was muss passieren, damit das Thema ‘Zero Waste’ in der Gastronomie noch präsenter wird?

Für die Gastronomie ist es im Moment nicht einfach, denn durch die politische Situation und die Corona-Krise sind viele Unverpackt-Läden und Zulieferer weggebrochen. Man muss den Gastronomen unter die Arme greifen und direkt an die Hersteller herantreten und sagen: „Hey, ihr habt ein gutes Produkt, aber warum wollt ihr nicht auf Mehrweg umsteigen?” Mit den Getränkelieferungen funktioniert das schon so fantastisch, wieso können das nicht auch andere Hersteller? Ich finde es so schade, dass es nach sechs Jahren immer noch nicht einfach ist.

 

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